Vom Konzept zum Set-up
Am Ende stehen das Schaufenster, der neue Popup-Store, der Messestand, die Inneneinrichtung. Es ist fertig dekoriert, gestaltet, umgesetzt. In der Wahrnehmung vieler sind wir handwerklich Schaffende, deren Job am Point of Sale oder vielmehr beim Kunden stattfindet. Bei eigenen und ganzheitlichen Projekten ist dies der finale Schritt, das Set-up vor Ort. Aber wie gestaltet sich der komplette Arbeitsprozess? Welches sind die Schritte zuvor? Auch wenn wir als Team Teilprozesse anbieten ist es unser Ziel, den Kunden ganzheitlich und kompetent zu beraten und zu begleiten. Am Beispiel eines Messeprojekts erkläre ich die notwendigen Schritte.
Der Kunde
Minh Long Ltd. ist ein Hersteller feinsten und hochwertigsten Porzellans aus Vietnam. Abnehmer der Produkte sind internationale Großkunden aus den Bereichen Gastronomie und Hotellerie, sowohl aus Asien wie aus Europa und den Vereinigten Staaten. Die Geschirrsets orientieren sich in Bezug auf Funktion und Nutzung an unterschiedlichen Bedürfnissen, in Bezug auf Design an unterschiedlichen Ästhetiken. Da die Ambiente Frankfurt, die führendste Messe der Konsumgüterbranche, eine sehr wichtige Rolle im Unternehmensgeschäft spielt, gilt es, eine breite Masse an Besuchern und potentiellen Kunden zu bedienen. Als Standort in Europa sollen die Produkte in einen hier modernen und zeitgemäßen Kontext gesetzt werden. Unsere Zusammenarbeit beginnt mit mindestens einem Vierteljahr Vorlauf. Vom Kunden erhalten wir die Stückzahlen und Designs der jeweiligen Produkte. Hier ein kleiner Auszug der Erstinformationen.
Fotos: Minh Long Ltd.
Der Architekt und Messebauer
Der Architekt, welcher den Kunden schon langjährig als Messepartner begleitet, ist No Limits Sarl. aus Luxemburg. Jedes Jahr werden im Standdesign Anpassungen und Adaptionen vorgenommen, auf den jeweiligen Standort (Messehalle, Position) und die Produkte zugeschnitten. Mit dem Architekten sind wir von Beginn an in Kontakt um Maße der Möbel, Beschaffenheiten der Materialien oder Installationsmöglichkeiten an Decke und Wänden in Erfahrung zu bringen. Der Aufbau des Messestandes erfolgt durch einen regionalen Messebauer, Stahlart aus Frankfurt. Auch wir kennen uns mittlerweile ganz gut und besprechen handwerkliche und technische Details im Vorfeld.
Skizzen: No Limits Sarl.
Das kreative Konzept
Die Messen in Frankfurt geben als Orientierung für die Aussteller große Trends vor. Diese Trends verfolgen Zeitgeist und gesellschaftliche Strömungen und können jeweils im Rahmen sehr sehenswerter Trendschauen vor Ort besichtigt werden. Es kann also sein, dass Aussteller ihre Produkte und ihr Standdesign nach diesen Trends ausrichten. Dieses Jahr ging es bei Minh Long „nur“ darum, die sehr unterschiedlichen Produkte und Designs in einen modernen Kontext zu bringen und ansprechend zu präsentieren. Die Herausforderung bei der Produktvielfalt und Designs von bunt- plakativ über puristisch- weiß bis zu klassisch- vietnamesisch lag darin, das Ganze in ein einheitliches, stimmiges, einigermaßen ruhiges und ansprechendes Erscheinungsbild zu bringen. Zwei unterschiedliche Inspirationsquellen und Themen sind daraus geworden, jeweils für sich, untereinander aber verbunden durch gleiche Elemente.
Dem kreativen Konzept vorangestellt sind jeweils Brainstorming und allgemeine Ideenfindung. Pinterest, Instagram, Blogs & Co. sind dabei hilfreiche Quellen. Welche Trends sind gerade angesagt? Wie ließen sie sich adaptieren und umsetzen? Welche Umsetzungen können inspirieren? Idee und Inspirationsquellen werden im Konzept vorgestellt, die Stimmung in Moodboards veranschaulicht. Ein Farbschema wird erarbeitet. Welche Produkte sind miteinander kombinierbar? Welche Produktplatzierung macht wo Sinn? Welche Elemente, Requisiten, Materialien, Props lassen sich mit den Produkten kombinieren, ergeben eine stimmige, ansprechende Inszenierung? Wie lassen sich spannende Produktaufbauten gestalten, wie können verschiedene Höhen generiert werden, wie Fernwirkung? Das Konzept beinhaltet in der finalen Fassung – in kontinuierlicher Abstimmung mit dem Kunden und Architekten – den Trend und die Stimmung, die Produktplatzierung und die geplanten Ergänzungen durch Elemente, Materialien, Props.
Auszüge aus dem Konzept.
Das Projektmanagement
Das Konzept steht, die Planung kann beginnen. Formelle Dinge wie Kommunikation mit dem Verkehrsmanagement der Messe, Beantragung von Einfahrts- und Abbauscheinen, Zusammenstellen des Teams, Einkäufe. Natürlich gibt es einen Fundus, auf den wir punktuell zurückgreifen können. Um das Konzept konform und individuell umzusetzen, muss das Meiste jedoch neu gekauft werden. Mietfirmen wie in den Vereinigten Staaten gibt es hier kaum, beim Thema Nachhaltigkeit sind Messen ohnehin noch ganz weit hinten. Leider. Wir versuchen immer, Vorhandenes umzugestalten und in ein neues Bild zu setzen. Neben der Thematik „Silber, glänzende, glatte Oberflächen“ waren es dieses Jahr unter anderem grobe und haptische Strukturen. Alte Vasen, Übertöpfe und Flaschen wurden mit Strukturpaste bearbeitet und so fast zu Designobjekten. Trockenblumen wurden mit Silberlack eingesprüht. Depafitplatten wurden mit Spiegelfolie kaschiert. Materialien wie Platten oder Folien bestellen wir meistens online bei Großhändlern, Accessoires und Deko-Elemente eher vor Ort bei Großhändlern und auch Discountern. Das Ganze muss also eingekauft, transportiert, bearbeitet und am Ende neu gepackt werden. Die Autos sind an den Aufbautagen voll mit gepackten Kartons, Werkzeug und Verbrauchsmaterialien.
Das Team
An den Aufbautagen zählt Teamwork. Mit Kai von der Digitalagentur Dots United arbeiten wir in der Regel zusammen wenn es um graphische Arbeiten geht. An Messetagen zählt dann eher Muskelkraft wenn es ums Ausladen geht und Transportieren zum Messestand. Dirk von Raumweltlabor arbeitet als Produktdesigner an tollen eigenen Projekten. Während der Ambiente unterstützt er mich zuverlässig mit bester handwerklicher Expertise. Peter und sein Team von Stahlart sind schon fast fertig wenn wir anrücken; sie haben schon eine knappe Woche Standaufbau hinter sich. Wahnsinn, welch eine Maschinerie diese Messen sind. Trotzdem steht er uns helfend zur Seite und verleiht verlässlich seine Leitern und Werkzeuge. Vom Team Minh Long sind während der Aufbautage auch Helfer zum Auspacken der Produkte am Start. Diese werden palettenweise auf den Stand gebracht; per Seefracht wurden sie von Vietnam nach Hamburg verschifft und dann weiter per Spedition nach Frankfurt.
Der Ist-Zustand
Dreck, Chaos und Geräuschkulisse. Messe ist ein Knochenjob aber auch irgendwie Adrenalin pur. I love it! (sometimes) Um uns herum arbeiten Messebauer aus der ganzen Welt, Tage und Nächte durch. Überall sind Kartons, Dreck, Staub. Erstmal ausladen, ankommen, Small Talk, eine saubere Ecke suchen.
Das Set-up
Trotz aller Planung ist in unserem Job fast immer Improvisation gefragt. Das Geschirr ist nun doch in einem anderen Design da, die Stückzahlen haben sich verändert, die Tischdecken müssen gekürzt werden, spontan sollen noch Topfpflanzen vor Ort besorgt werden. Strom und Elektrik funktionieren nicht. Eine nächtliche Standbewachung muss spontan gebucht werden. Auch wenn es nicht immer leicht fällt: Ruhe bewahren und cool bleiben! Es wird immer eine Lösung geben, aufgeben gilt nicht. Erst platzieren wir die Produkte, setzen Displaymaterialien ein wie folierte Tische und Erhöhungen oder kaschierte Platten in der Rückwand. Die Dekomaterialien und Props, also Gläser, Besteck, Kerzenständer, Vasen etc. ergänzen im nächsten Schritt das Set-up. Am Morgen des zweiten Tages werden auf dem Großmarkt Frischblumen gekauft und eingesetzt, Finetuning und die finale Abnahme durch den Boss beschließen das Set-up.
Am Ende liegen zwei 12 Stunden-Tage hinter uns und das erleichternde Gefühl, es mal wieder geschafft zu haben. Zumindest für 4 Tage, denn am letzte Messetag erfolgen dann der Abbau und Rücktransport aller Materialien, Props und Requisiten.
Mehr Bilder findet ihr hier: www.juni-visuelles-marketing.de/portfolio/ambiente-frankfurt-2024-minh-long/