Finnische Architektur, Interior & Retaildesign
In regelmäßigen Abständen muss ich Frankenthal hinter mir lassen und in die Ferne ziehen. Das frühere Großstadtherz schlägt noch immer in mir. Mein Geist muss gefüttert werden.
Es kann nur da Kreativität entstehen, wo Input und Inspiration stattfinden. Die letzten Jahre waren die Sehnsuchtsorte Paris, London, Manchester, New York, Amsterdam, Lissabon, auch Istanbul und Barcelona. Diesmal sollte es Skandinavien sein. Aber: Kopenhagen kann jeder! Helsinki war das Ziel mit meiner wunderbaren Freundin und Kollegin Susa Eriksson– Ästhetin aus Berlin!
Das Wetter: naja. Wir hätten uns über -20 Grad und Schnee gefreut, so wie die Wochen davor. Stattdessen: Dauerregen und graue Schneereste überall. Im Sommer ist die Stadt sicher noch toller, mit ihren vielen Grünflächen, Parks und kleinen Buchten. Wir sind trotzdem Freunde geworden in den 48 Stunden.
Helsinki serviert nicht all seine Sonnenseiten wie selbstverständlich, man muss sie suchen. Wir sind trotz der kurzen Zeit fündig geworden, auch wenn es sicher nur ein Bruchteil der ganzen Schönheit ist. Viele Fragen schweben seitdem in meinem Kopf: Was macht das Klima mit den Menschen? Warum gibt es so viele Friseure, Massage- und Beautysalons? So viele Sterne-Restaurants? Shopping Malls? Von Saunen ganz zu schweigen.. Um der Kälte und den langen Phasen der Dunkelheit zu trotzen, so war unser Eindruck, wird vieles indoor verlegt.
Oodi Bibliothek & Löyly Sauna
Große Teile Helsinkis sind untertunnelt, im Untergrund gibt es Schulen, Fitness-Center, sogar ein Schwimmbad. Relikte aus dem kalten Krieg. Im Ernstfall fänden alle Einwohner der Stadt (ca. 5 Millionen) Schutz in den Bunkern. Bauwerke, die mit ihrer Architektur beeindrucken sind neben den zahlreichen Museen und Kirchen auch der imposant wirkende Bahnhof im nationalromantischen Stil. Fast schon sowjetisch anmutend. Zeitgenössische Architektur bietet die Oodi-Bibliothek, die, so wie fast alles, fußläufig vom Bahnhof erreichbar ist. Vor allem von innen ist sie sehr beeindruckend. Obwohl gut besucht, sie ist Zufluchts- und Aufenthaltsort für Jung und Alt, hat sie eine beeindruckende Akustik. Neben klassischer Bücherausleihe kann man hier Musikstudios und Instrumente mieten, mobile und flexible Workspaces, gläserne Meetingräume, es gibt Workshops jeder Art, Mieträume für Gamer. Ein super modernes Konzept und Beispiel von hybridem Arbeiten.
Sehr cool auch das Löyly, eine moderne Sauna mit verglastem Restaurant, ganz im Süden der Stadt am Ufer der Ostsee. Der Grundriss ist polygonal, die vielen Holzlamellen umschließen das Gebäude und wirken wie Jalousien. Drinnen sitzt man in Badebekleidung, unterhält sich und trinkt Bier. Sauna ist in Finnland weniger Wellness, dafür gesellschaftliches Zusammenkommen. Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist in Helsinki sehr präsent. Sehr viel Holz, recycelte und nachhaltige Materialien in Architektur und Interior. Relove-Stores mit Vintagekleidung und hübschen Cafés in der ganzen Stadt, sogar integriert in Stockmann, eines der traditionellen großen Warenhäuser. Überall echte Pflanzen. Gesundes Essen mit Fisch aus der Region, frische Waldbeeren, heimische Zutaten. In viele Toiletten sind Bidets integriert, was Ressourcen schont. In Hotels und öffentlichen Bädern und Saunen gibt es Naturkosmetik.
Amos Rex & HAM
art is popcorn for the brain
HAM, Helsinki
Die Finnen sind zurückhaltende, introvertierte Menschen. So unser Eindruck. Freundlich und auch sehr entspannt. Museen öffnen nicht vor 11:00. Daher konnten wir uns nur die Ausstellung von Ryoji Ikeda im Amos Rex anschauen. Präzise komponierte bewegte Bilder und Soundlandschaften auf riesigen Screens, das ganze unter der Erde. Ansonsten fanden wir auch die vielen Museumsshops ziemlich anregend.
Retail & Shopdesign
Auch im Retail- und Shopdesign konnten wir einiges mitnehmen. Auffällig sind die vielen, großen Beautystores mit Natur- und konventioneller Kosmetik, überall Bars zum Produkte testen. Natürlich mit hübschem Verpackungsdesign. Viel nachhaltige Materialien wie Wabenkarton, upgecycelter Kunststoff und auch Neon und irisierende Materialien.
Finnisches Design
Apropos Design, natürlich ist uns auch finnisches Design begegnet. Ich finde, hier kommen skandinavische Ästhetik, Naturverbundenheit und der unbeschwerte Umgang mit Farben und Formen stark zusammen. Hier einige Beispiele an Keramik, Textilien und Graphiken. Und natürlich überall: Moomin, von Tove Jansson.
Interior & furniture
Und am Ende wieder die Frage, die mir weder Google noch KI beantworten kann: wie kann es sein, dass Menschen in Nordeuropa, Skandinavien, auch Holland so eine andere Ästhetik haben als der Rest der Welt? Hier ist einfach alles stilvoll und unbewusst durch designed…Hotelzimmer, Lobby, Bars, Restaurants, Möbel, Teppiche, Lampen, Stühle..
Die Eindrücke werden noch lange nachwirken. Wir kommen wieder. Im Sommer <3